Exkurs zur Geschichte des Handwerks in Groß- und Kleinzössen

            

von Hans Griesbach (Jahrgang 1944)

 

 

 

 

 

 

Über 900 Jahre ist unser Großzössen alt. Unzählige Dinge passierten in diesen vielen Jahren:

Zwischen Wyhra und Pleiße gab es früher reiche Waldbestände, fruchtbare Wiesen, genügend Wasser zur Nutzung erster Mühlen für eine Verarbeitung des Erntegutes. Das führte bereits im Mittelalter zur Ansiedlung von Bauern und Handwerkern. Vieles über das Wachsen und Werden unseres Dorfes ist bekannt, hat man irgendwann mal gehört und es wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Die Chronisten unseres Ortes, wie der sein gesamtes Leben in Großzössen wohnende Rudi Morbach, haben mit Sachkenntnissen aufgezeigt, was für heutige Generationen interessant ist. Auch ich als gebürtiger Großzössener erinnere mich gern. Ich werde mich nun der Geschichte des Handwerkes und anderer Fähigkeiten der Bürger unseres Ortes zuwenden.

Großzössen um 1924

 

Mancher jüngere Einwohner wird sich wundern, wen und was es da alles gab. Die Handwerker sind zu jeder Zeit die Motoren bei der Gestaltung eines reichen, zufriedenen Dorflebens gewesen. Waren es anfangs Leistungen für die bäuerliche Wirtschaft, so wurden diese ab Mitte des 19. Jahrhunderts für die Entwicklung der Kohle- und Energiewirtschaft benötigt. Nicht wenige Handwerker nutzten natürlich die Chance, gaben ihren Beruf auf und wurden gut bezahlte Bergmänner. Viele Ältere auch ehemalige Groß- und Kleinzössner erinnern sich an die uneigennützige Arbeit der Handwerker in den schweren Jahren der Kriegs- und Nachkriegszeit, deren Folgen auch an Großzössen nicht vorbeizogen. Jedes Pfund Mehl aus der Mühle, jeder Teller Suppe aus Thomasens Kantine und jeder reparierte Schuh durch Schuhmachermeister Klaholz half beim Überleben. Ja, es gab sie in Großzössen: den Müller, Fleischer,  Schuhmacher, Stellmacher, Friseur, Kleinwarenhändler, Tischler, Fellhändler, Milchverkäufer, Bäcker,  Sattler, Kneiper, Runfunkmechaniker u.a. nicht zuletzt den Schmied in Kleinzössen, Gärtner und Böttcher in Kahnsdorf. Auch Ernst Kluge (mit 96 Jahren ein sehr altgewordener Bürger der Gemeinde) kann man dazu zählen. Er fertigte Zigarren vom angebauten Tabak für die Raucher des Dorfes an. Sogar ein Blas-und Jugendtanzorchester verstand sein Handwerk. Sie alle wurden gebraucht, hatten Arbeit und mancher wird heute schmerzlich vermisst. Eine Dienstleistung, wenn sie überhaupt noch existiert, findet man erst in der 5 km entfernten Kreisstadt.

Bereits 1548 entstand an der Pleiße zwischen Großzössen und Kahnsdorf eine Mühle des Rittergutes. Der damalige Besitzer Otto von Breitenbach wusste die Wasserkraft der Pleiße zu nutzen, wobei in regelmäßigen Abständen das Hochwasser den Mühlenbetrieb unterbrach.

Früher keine Seltenheit - Großzössen unter Wasser

 

1920 wurden auf dem Grundstück der Mühle Bergarbeiterwohnungen errichtet, in denen Bergarbeiterfamilien wie Grund, Elger, Brieger und Heinold lebten. Auch Herr Quaschny lebte dort. Letzterer war in seiner Freizeit ein engagierter Zauberkünstler. Im Zuge von Bergbau und notwendigen Flussbett - Verlegungen wurden diese Gebäude abgerissen. Überhaupt gab es an Pleiße und Wyhra eine Reihe von Wassermühlen, so in Hain, Zöpen, Kahnsdorf, Witznitz und in Kleinzössen. Die Älteren erinnern sich bestimmt an das Baden oberhalb des Wehres an der Oberwyhra oder an das Krebsfangen in der Unterwyhra. Der Müllermeister Gildemeister führte diese Mühle als Pächter und späterer Besitzer (ab 1953) bis zum Abriss 1973. Auch sie musste dem Voranschreiten der Kohlebagger weichen, obwohl sie noch Mitte der 60 Jahre auf Elektroenergie durch eine Wasserturbine umgerüstet wurde. Die Großzössener Meister Heinrich Höhle, Arno Brauße und Gerhard Heinold, waren hier am Werk und realisierten technische Veränderungen.

Mühle von Kleinzössen

 

Rudi Zimmermann, ein gebürtiger Großzössener, erinnert sich: “Herr Gildemeister war ein hochgeachteter Mensch. Mit seiner Haltung während und nach dem Krieg hat er vielen Hungernden geholfen. Meine Mutter, Grete Graf, hat so manches Pfund Mehl erbettelt und zu unserer großen Familie gebracht.“ Auch Dieter Fischer, gebürtiger „Zössener“, weiß zu schätzen, dass in der Mühle das Getreide vom „Ährenlesen“ und „Ausdreschen“ kostenlos gemahlen wurde. Das war für das Überleben notwendig. Eine einfache Mehlsuppe war eben ein „Festmahl“. Während des Krieges hielten Kriegsgefangene den Mühlenbetrieb in Gang und sie wurden vom Besitzer außerordentlich gut behandelt. Sie schützten die Mühle zum Kriegsende gegen zahlreiche „Plünderei Versuche“. Sogar vor den anrückenden Amerikanern „verteidigten“ sie den Müller. Artur Winkler hat viele Jahre in der Mühle gearbeitet. Er kann die Mehlsäcke nicht mehr zählen, die er auf seine Schultern hob. 75 kg wog ein Sack und 100 Zentner fasste ein Fuhrgespann. Zur Belegschaft gehörten auch jahrelang Erich Kratzsch und Gühnter Hähnel. Heinrich Höhle -Dreherei Meister im Werk- arbeitete nach Feierabend bei Fritz Gildemeister. Er entwickelte eine Ölpresse für Raps-und Mohnöl. Mohn (Opiat) wurde auf den Fluren von Kleinzössen hektarweise angebaut. Die Kinder aßen den Mohn aus den Kapseln sehr gern. In Kleinzössen, welches längst von der Landkarte verschwunden ist, hatten die Bauern Berger, Bräutigam, 3 x Eißner, Ganze, Frommhold, Brause und Kahnt prächtige Fachwerkshäuser, die von Gemüsegärten umgeben waren. Eine jahrhundertalte Schmiede mit Ausschank gehörte der Familie Riedel, wo in früherer Zeit die Pferde mit Hufeisen beschlagen wurden. Bereits um 1850 wurde hier Bier ausgeschenkt und die Bauern saßen in fröhlicher Runde beisammen. Erst mit der Devastierung von Kleinzössen endete der Ausschank. Die Jungs vom Jugendheimbau (es wurde 2013 abgerissen) um Rolf Claus und Fred Lauterbach haben bei Frau Riedel noch 1962 nach getaner Arbeit ein „Bierchen“ getrunken. Auch gab es ein Fahrradgeschäft, gelegen an der Straßenkreuzung am Ortsausgang in Richtung Hain, dass ein Herr Dillner betrieb. Gegenüber züchtete ein Herr Mothes Nutrias. Fleisch und Fell derselben waren zu dieser Zeit sehr gefragt.

Man soll es nicht glauben, Kleinzössen hatte so fruchtbaren Boden, dass man hier den Gurkenanbau betrieb. Dieser ist bis 1858 nachzuweisen. Die Feuchtigkeit der Wyhraaue, die Wärme und aufsteigenden Flussnebel wirkten sich außerordentlich günstig auf das Wachstum aus. Auf den Marktagen in Borna und später nach Eröffnung der Eisenbahnlinie bis nach Chemnitz konnte man die „Kleinzössener Schlangengurke“ erwerben.

Das Wahrzeichen von Kleinzössen war eine gewaltige unter Naturschutz stehende Eiche am Ortsausgang in Richtung Hain. Auf der Flur in Richtung Haubitz befand sich auch der sogenannte “Burgsterl“, wo in früheren Jahren zwischen den Wasserläufen der Whyra und Eula Fuhrleute Schutz fanden. Er war genau, wie der Lindenberg, ein beliebter Abenteuerspielplatz der Dorfkinder. Prof. Bräutigam, ein Vorfahre der noch heute in Kahnsdorf lebenden Bauernfamilie, schildert, dass man bereits zu seiner Kinderzeit um 1850 „Räuber und Soldaten“ spielte. Man zog mit geeinten Kräften der Groß-und Kleinzössener Jungen „gen“ Hain. Kleinzössen hatte früher zwei Teiche, den Gemeindeteich zwischen Ort und der Mühle und den in der Flur liegenden Buchteich. Hier wurde durch die Bauern Karpfenzucht betrieben. Um die Zeit der Kirmes war das Abfischen ein Festtag für das ganze Dorf.

In Großzössen prägten die bäuerlichen Betriebe Böhme, Berger, Frommhold und Kuhfs die Landwirtschaft. Viele ältere erinnern sich noch, wie sie den Bauern geholfen haben um ein kleines „Zubrot“ zu verdienen, sei es beim Rübenhacken-oder verziehen, dem Kühe- und Gänsehüten. Manches Abenteuer, wenn zum Beispiel eine Kuh mit dem Pferd aus der Wyhra gezogen werden musste, lassen Erinnerungen wach werden. Zur Erntezeit in den Nachkriegs-Jahren stand das Ährenlesen und Kartoffelstoppeln an. Die ganze Familie zog auf die Felder. Im Feuer des Kartoffelkrautes (übrigens eine wichtige Pflanzenschutzmaßnahme) wurden Kartoffeln geröstet. Gerade in den Jahren 1945/46 halfen besonders Kinder den Bauern. Geld bekamen sie wenig, viel wichtiger war, wenn es zum Frühstück und zum Vesper zwei große belegte „Doppelbemmen“ gab. Und das vom runden Vierpfundbrot. Zum Vergleich: Ein solches Brot kostete damals auf dem Schwarzmarkt 50.00 Mark.

Im Jahre 1958 bildeten die Bauern von Groß- und Kleinzössen die Landwirtschaftliche Produktions- genossenschaft „Einheit“. Erwähnt sollen hier nur die großen Leistungen bei der Wiederherstellung einer ertragreichen Bodenfruchtbarkeit auf ehemaligen rekultivierten Tagebauflächen. Die spätere daraus hervorgehende LPG “Morgenrot“ entwickelte sich zu einem führenden Bullenmastbetrieb. Günter Milz, Rosel Lang und viele ehemalige Einzelbauern unserer beiden Dörfer haben hier ihre bäuerlichen Fähigkeiten eingebracht. Nicht immer wurde alles von der Dorfbevölkerung, hinsichtlich der Produktionsweise, verstanden wie zum Beispiel die Errichtung eines Rinderoffenstalles in Richtung Lache. Aber das Bullenjagen mit einem roten Schal vom Weidezaun aus machte einigen Dorfjungen doch einen Heidenspaß.

Rinderoffenstall auf den Wiesen vor der „Lache“

Unterstützt wurden die Bauern von der im Jahre 1949 gebildeten Maschinen-Traktoren-Station (MTS). Max Ronneberger war es, der das Bauland für die jetzt, nur noch in Resten bestehende MTS/LTA in der Witznitzer Straße organisierte. Schlagzeilen in Presse und Funk machte Mähdrescherfahrer Erich Brauße mit seinen täglichen Hektarleistungen. Oft war er Bezirkssieger im Erntewettbewerb. Erich war übrigens mit seinen ebenfalls 2 m großen Bruder ein gefürchteter Gast auf den Tanzböden. Heinz Prinz, ein ehemaliger Bergmann, entwickelte viele Ideen bei der Installation von Melkanlagen in unzähligen Kuhställen im gesamten Bezirk Leipzig. Auch der Schmied Horst Bauer, Anfang der 90-ziger Jahre Bürgermeister von Großzössen, half mit seiner handwerklicher Fähigkeit die Landtechnik instand zu halten.

Für das kulturelle Leben gingen von diesem Betrieb Impulse aus. Im Jahre 1958 gegründeten Blasorchester unter der Leitung von Heinz Prinz musizierten die Dorfbewohner Heinz Kutzbach, Wolfgang und Roland Hauschild, Erich Puchelt, Erich Kunze, Fritz Richter, Toni Schöndörfer, Reiner Elger. Es waren Handwerker aus der Kohle und Landwirtschaft, die ihre Instrumente beherrschten und die langjährigen Traditionen der Blasmusik in Großzössen fortsetzten.

Blaskapelle 1952 (v. links)

oben    Wolfgang Kasperski, Manfred Enge, Heinz Kutzbach, Fritz Brauße, Wolfgang Hauschild

      mitte    Fritz Teubert, Otto Kücherer, Fritz Richter, Gerhard Guhr, Karl Winter

      unten    Fritz Fischer, Karl Moler, Fritz Klatte, Heinz Prinz, Rolli Moritz, Alfred Blank,

Konrad Kicherer, Willi Prinz

 

Vielen uns allen noch aus Rundfunk- und Fernsehen bekannt ist der Schlagersänger Günter Hapke. Er lebte eine Zeit lang in Großzössen. Sein Vater leitete das Arbeiterwohn- und Lehrlingsheim.

 

 

Für viele Familien bildete die „landwirtschaftliche Hauswirtschaft“ in Kleingärten und an gepachteten Parzellen ein notwendiges Zubrot. Weite Wege zu ihren Feldern und Wiesen waren keine Seltenheit, Lehmanns hatten ihr Feld kurz vor Haubitz, fast vier Kilometer entfernt gelegen. Es war eine mühselige aber lohnenswerte Arbeit, das Ackerland wurde per Hand umgegraben und die Wiesen mit der Sense gemäht. Mist und Ernte Gut mit dem Handwagen transportiert. Man kann sagen, fast jeder Haushalt züchtete Kaninchen. Das Fell der geschlachteten Tiere kaufte Fellhändler Bauer im „Hosenkreuz“ auf. 1.-Mark war es ihm Wert, dazu bekam man noch ungefähr 1kg Kleie, ein Abfallprodukt des Getreides vom Mahlprozess. Es wurde den gekochten „Schälern“ als „Masthilfe“ für die „Karnickel“ beigefügt. Die Felle der „Kaninchen“ wurden in Rötha weiter verarbeitet. Rötha war eine Domäne des Kirchnerhandwerkes. Heute gibt es nur noch die Firma Ringworth.  

Übrigens waren für die Kleintierhaltung im Ort die Herren Stassig und Czerny unentbehrlich. Ersterer kastrierte die Kaninchen und Czerny war eine Art “Hobby Tierarzt“ (besonders spezialisiert auf Hunde). Auch Otto Schäfer und Frau Kießelbach waren als Freizeitimker sehr anerkannt. Manche hatten sogar ein Schwein im Stall. Geschlachtet wurde es von Karl Groß aus dem Rittergut. Ein Meister seines Faches, noch heute schwärmen ältere Einwohner von seiner Blut- und Leberwurst. Wenn man den Hof des ehemaligen Rittergutes beging passierte es oft, dass man von Gänsescharen „angezischt“ wurde.  Großzössen war ein „wahres Dorf der Gänsezüchter“. Auch Hühner besaß fast jeder Häusler. Jährlich wurden im Saal der Gaststätte „Zur fröhlichen Wiederkehr“ Kaninchen -und Gartenausstellungen veranstaltet. Die Besten erhielten Preise. Karl Bensch, Artur Colditz und Rudi Morbach waren über Jahre hinweg die prädestinierten Organisatoren.

 

Gartenausstellung der Sparte „Volkswohl“

v.r.  Familie Paul und Gertrud Kuhnert mit Tochter Marika, Heinrich Schwarz, Gottfried Reichelt, Karl Bensch,   

     Otto Schäfer ...

 Als im Jahr 1838 in der Großzössener Flur erste Kohlefelder erschlossen wurden, begann für die Handwerker eine völlig neue Zeit, die Epoche der Industrialisierung war eingeleitet. Waren es anfangs „Neubergleute“, die mit Hacke und Schaufel, Tragkorb und Schubkarre zu Werke gingen, revolutionierte die frühe Einführung der Dampfmaschine einen raschen technischen Fortschritt. 1908 eröffnete der Duxer Kohleverein die Brikettfabrik “Dora und Helene“.

Für die Großzössener war es immer ihr „Werk“. Generationen von Handwerkern arbeiteten mit Leidenschaft in der Fabrik oder Grube, die Jugend erhielt die Ausbildung zu einem Bergmannsberuf. Schnell wuchs die Zahl der Einwohner, aus allen Richtungen vor allem aus dem „Braunschweigischen“ kamen Menschen, die Arbeit und Brot in der Kohle suchten, sie wurden ortsansässig und blieben hier. So Teo Sommerfeld, Erich Böning, Paul Löffler, Willy Griesbach, Richard Stroinski und viele mehr.

Bekannte Bergleute genossen hohe Achtung im Dorf. Genannt werden sollten hier von Vielen: Max Müller-Tagebauleiter, Alfred Lauterbach-Steiger im Tagebau, Heinrich Höhle- Meister der Dreher Werkstatt, Gerhard Heinold – Meister der E-Werkstatt, Irene Graf (Kubiciel) – Steiger der Brikettfabrik, Horst Adomat – Leiter der Berufsausbildung, Kurt Claus- Meister in der Werkstatt und im Tagebau, Friedhelm Eißner – Schmied und Jahrzehnte Leiter der FFW, Wolfgang Andrä – Meister in der Grube, Fritz Fischer- Leiter im Tagebau Espenhain und später in Borna, Richard Hinz –Oberlokführer und Egon Weiße-Ingenieur im Werk Großzössen.

Große Herausforderungen stellte für Handwerker der Tagebaubetrieb dar, ob bei großer Sommerhitze oder im strengen Winter. Sie standen ihren „Mann“ und sorgten für Kohlenachschub. Die Jugend des Dorfes arbeitete zu jener Zeit an Wochenenden und Feiertagen im Gleisbau. Man bekam für eine Schicht 25,-DM in die Hand ausgezahlt. Glaubt man den Geschichtsbüchern, war Großzössen um 1860 durch einen artesischen Brunnen ein berühmt gewordenes Kirchdorf.

Vielleicht hat die Braunkohlenwirtschaft das Entstehen eines Kurortes „Bad Großzössen“ verhindert. Heute erinnert nichts mehr an die einstigen Industrieanlagen mit ihren qualmenden Schlotten. Unser Heimatdorf veränderte sich. Der Smog ist verschwunden, ebenso die veralteten Brikettfabriken und Kraftwerke des Pleißelandes. Die Tagebaurestlöcher sind geflutet, neue Wälder aufgeforstet. Vorbei ist die „Zeit der Kohle“ wo es guten Lohn, Bergmannsgeld, Jahresendprämie, Deputatbriketts und den „Kumpeltod“ (Kartoffelschnaps) gab. Beim „Werksverkehr“ mit zahlreichen Bussen konnte man kostenlos mitfahren. Unvergessen die Feiern zum „Tag des Bergmanns“ in der Villa Lobstädt. 1959 bereicherte- der im Rittergut wohnende Edmund Bojahra- mit seinem Akkordeonspiel von einer Reparaturvorrichtung an dem Werkschornstein in ungefähr 50 m Höhe aus, den Bergmannstag.

Sicherlich werden nun viele Handwerker für den sich entwickelnden Tourismus im „Neunseeland“ benötigt. Man wünscht der Jugend unseres Dorfes, dass viele hier eine gesicherte Arbeit finden, wie es früher für ihre Eltern und Großeltern normal war, in der Kohle hatten sie ihren Arbeitsplatz.

 

 

Den Hauptanteil bei der Versorgung der Bevölkerung mit Waren für das Tägliche Leben und Dienstleistungen trugen die im Ort tätigen Handwerks- und Gewerbetreibenden.  

Viktor Bodenlos mit Frau                Geschäft 2014                       Backstube

    und Sohn Dieter

 

 

Das Bäckerhandwerk in Großzössen wäre der Geschichtsschreibung nach, seit 1894 ansässig. Bekannt sind die Namen der Bäcker Ritter, Schirmer, Ziegner. Ab 1949 übernahm Viktor Bodenlos, ein gebürtiger Sudetendeutscher, die noch heute weit über Ortsgrenze hinaus bekannte Bäckerei. Sohn und Enkel führten und führen sie erfolgreich weiter. Die Bäckerei Schirmer befand sich gegenüber dem ehemaligen Gasthof Lichtenstein, in der Nachkriegszeit war sie die Poststelle, wo Frau Schaffarzik arbeitete. Die bekannteste Briefträgerin des Ortes über viele Jahre - Frau Ortmann. Sie wusste über alles Bescheid. Jährlicher Höhepunkt war das Stollenbacken in der Weihnachtszeit. Rechtzeitig wurden alle ersparten Zutaten zum Bäckermeister getragen. Die Hausfrauen waren dabei wenn diese in den Teig gemischt wurden. Stollenzeichen verhinderten Verwechslungen. Ein wenig Misstrauen war immer dabei. Paul Krüger, der Feuerwehrhauptmann, half beim Teigkneten. Ganzjährig wurden zum Wochenende große runde Kuchenbleche in die Bäckerei getragen. Bauer Berger hat besonders viel gebraucht. Heute ist das nicht mehr notwendig, „Umluft Öfen“ u.a. machen das Backen im Küchenherd möglich. Bäckermeister Hoppe aus Kahnsdorf versuchte Brot und Brötchen in Großzössen an den Mann zu bringen. Der Verkauf erfolgte vom Pferdewagen aus. Eine beliebte, natürlich nicht von allen gern gesehene Konkurrenz.

Auch das Fleischerhandwerk war in Großzössen ansässig, Die Geschichtsaufzeichnungen nennen das Jahr 1839, wo im späteren Gasthof Lichtenstein ein Metzger arbeitete. Eingang zum Geschäft und Schaufenster befanden sich an der Straße nach Kleinzössen. Ein in Leipzig lebender Herr Uwe Klaholz, der mit Akribie an einem Stammbaum über seine Vorfahren arbeitet fand heraus, dass der Fleischhauer Klaholz um 1850 von Schwarzenberg (Erzgebirge) nach Großzössen umsiedelte. War er der erste Fleischer im Ort? Frau Winkler ihr Häuschen existiert noch heute in der Bergmannsstraße. Sie war die Großmutter von Herrn Uwe Klaholz. Über dem Fleischergeschäft war der Tanzboden der Gaststätte, wo sich die Jugend vergnügte und das Blasorchester Großzössen jede Woche probte. Anschließend wurde ein Bier in der Gaststube getrunken. Eine Stahlsäule in der Gaststube neben dem Stammtisch stützte das Obergeschoß. Nicht wenige Gäste, wie zum Beispiel Melker Petereit versuchten diese nach einigen „Gläschen“ mit der Faust umzuschlagen.

Gasthof Großzössen – Bekannter als Gaststätte „Mutsch“

 

 

Der bekannteste Fleischer in unserem Ort war Kurt Meyer. Sein Geschäft mit angrenzendem Schlachthaus und Räucherkammer - befand sich in dem heute neu restaurierten Gebäude neben der Bäckerei Bodenlos. Trotz gesundheitlicher Probleme kümmerte er sich mit Fleiß um die Versorgung der Bewohner in den schweren Nachkriegsjahren, wo es Fleischprodukte nur auf „Marken“ gab. Die Hausschlächter konnten Wurst und Schinken bei Meyers räuchern. Ein von Gildemeisters gespendete Kalb zu Kinderfesten verarbeitete Kurt zu Wiener Würstchen. In der Weihnachtszeit wurde bestellte Blut- und Leberwurst doppelt geräuchert. Auch Stangeneis verkaufte er für nur wenige Pfennige.

 

Fleischerei Großzössen 1920 und 2014 (Wohnhaus)

Die Kantine von Thomasens unweit des ehemaligen Lehrlingswohnheimes verfügte ebenfalls über ein Schlachthaus mit Räucherkammer. Beliebt war die dort zu erwerbende Wurstsuppe in verschiedenen Formen. Man stelle sich vor: Fleischerzeugnisse konnte man bis in die sechziger Jahre in vier Verkaufsstellen vom Ort erwerben. Bei Meyers, Thomas/Eichhorns, Lichtensteins und im Konsum. Beginnend ab 1919 haben sich die Familien Thomas und Eichhorn auch in den schweren Kriegsjahren um die Bergarbeiterversorgung gekümmert. In der „Kantine“ wie der Volksmundsagte, kochten sie für die im Ledigenwohnheim oder den „Baracken“ in unmittelbarer Nähe des Sportplatzes wohnenden Bergarbeiter. In der kleinen integrierten Verkaufsstelle wurden von Eichhorns auch Lebensmittel (auf Marken) und Waren des täglichen Bedarfs verkauft. Oftmals stundeten sie „Schuldnern“ die Zahlung, wenn das Geld mal nicht bis zum nächsten Lohntag reichte. Viele schöne Stunden verbrachten die Bergleute nach der Schicht bei einem Glas Bier in der Kantine. Dorflegenden, wie Gustav Schadow, Erich Kempe, die Pollers oder Wagners Else sorgten für Unterhaltung. Gustav Schadow konnte mit seinem Gebiss mühelos Stühle hochheben. Er kam durch einen Barackenbrand ums Leben.

Friedrich Thomas war auch Teilhaber einer im Jahr 1928 durch die Gemeinde gebauten Glasfabrik. In der im Volksmund genannten „Schleiferei“ erhielten Gläser, Schüsseln, Vasen und andere Produkte kunstvolle Gravuren. Auch Hausgeschirr wurde produziert. Wer konnte sich schon solche Gegenstände leisten. Die Reste der Schleiferei verschwanden mit dem Abriss von Stallgebäuden im Rittergut. Die Sprengung des etwa 30 Meter hohen Schornsteines nach 1945 wurde ein Dorfereignis.

 

Die heutige Bergmannstraße war in früherer Zeit die „Handwerkergasse“ von Großzössen. So wurden in Heinolds Milchladen Molkereiprodukte verkauft, in den Nachkriegsjahren auch zugeteilt. Immer war das Schaufenster, besonders zu Ostern und in der Weihnachtszeit, von Frau Heinold liebevoll dekoriert. Die Milch wurde im „Krug“ meist durch die Kinder geholt. Auch beim Überkopfschwingen des Kruges manchmal „verkippt“.

Arbeiterwohnheim, Kantine mit Kommissionsladen (Frau Eichhorn, Schreiber...) und der wohl bekannteste Wohnheiminsasse Gustav Schadow.

 

Im heutigen Wohnsitz der Fam. Rolf Seeling hatten Kröbers ihre Geschäfts-und Produktionsstätte. Emil Kröber betrieb bis 1938 ein Fuhrunternehmen. Anne Kröber, seine Ehefrau unterhielt bis 1947 ein Lebensmittelgeschäft. Bis 1947 konnten die Großzössener bei Kröbers Fahrräder kaufen. Fritz Kröber, ein Urgestein Großzössens, spezialisierte sich auf Stahlbau. Aus dem zerbombten Klinkergebäude am Ortsausgang in Richtung Lobstädt (vor 1945 das Kulturhaus der Nazis) baute Fritz seine Werkstatt in großer Manier aus. Er hatte nach 1945 ein Auto, welches mit einem Holzvergaser betrieben wurde. In seiner Bauschlosserei fertigte er bis in die sechziger Jahre Baggereimer und Ersatzteile für den Bergbau und die Landwirtschaft. Seine Tochter Monika, verheiratete Ballwans, war viele Jahre leitende Oberschwester auf der Neugeborenen Station im Kreiskrankenhaus Borna. Unter ihren Händen erblickten unzählige Jungen und Mädchen auch unseres Dorfes das Licht der Welt. Der Sohn der zweiten Ehefrau von Fritz, Rolf Seeling, übernahm die Produktionsstätte 1970 und fertigte bis 2008 Stahlbauteile für das Ferrolegierungswerk Lippendorf und die Braunkohlebetriebe.

Nur wenige Meter weiter hatte Stellmacher Geneiß seine Werkstatt. Das Holzhandwerk ist in Großzössen bis zurück in das Jahr 17 nachweisbar. Bis 1958 arbeitete Meister Geneiß für die Landwirtschaft und die „kleinen Leute“. Handwagendeichseln, Schlittenkufen, Leisten, Fensterbretter u.v.m. konnte man bei ihm bestellen. Sein Hof war die beliebteste Abkürzung zum Sportplatz. Dann brauchte man bei Fußballspielen keinen Eintritt bezahlen. Die Schuhmacher verrichteten in der damaligen Zeit eine für die Dorfbevölkerung notwendige Tätigkeit. Wer konnte sich schon mehrere Paare Schuhe leisten? Ältere Einwohner werden sich noch erinnern, dass das „Barfußlaufen“ zwar zu Beginn des Sommers anstand, aber es war auch die Zeit, wo man die Schuhe schonen musste. Der bekannteste „Schuster“ war Herr Klaholz, der seine Werkstatt auf dem heutigen Grundstück von Hubert Mehnert hatte. Betrat man seinen Laden, schlug einem der Geruch von Leim, Leder und Gummi entgegen. Wer kennt heute noch die Arbeitsgeräte eines Schusters – Dreifuß, Schusterale, Tekse (Stahl- oder Holzstifte) u.v.m. Es gab immer reichlich Arbeit, auch früher wurde Fußball gespielt und manche Tanzschuhe brauchten neue Absätze. Bananenförmige Messingkappen verzögerten an Absatz und Schuhspitze den Sohlenabrieb. Im Seitengebäude des ehemaligen Rittergutes hatte Rudi Idziak seine Schusterwerkstatt. Später verlegte er diese in die „Baracken“, unweit des heutigen Kindergartens. Rudi war ein fröhlicher Mensch, im Blasorchester spielte er die Tuba (Bass). Bekannt sind seine waghalsigen Fahrten auf dem Hochrad zu Dorf- und Kinderfesten.

 

Seit 1767 war in Großzössen ein Barbier und Chirurg ansässig. Neben der üblichen Haarpflege hatte er auch das Talent zum Zähne ziehen und anderen kleinen medizinische Versorgungen. Die Bartrasur erfolgte -nach gründlichen Einseifen- mit einem am Lederband abgezogenen Rasiermesser. Wer besonders fein aussehen wollte lies diese Tortur über sich ergehen. Kurt Pörsch war der letzte selbständige Friseur in Großzössen. Sein Geschäft befand sich im jetzigen Wohnhaus der Fam. Bernd Morbach. Immer war er gesprächig, erzählte viel “Neues“ und registrierte mit Neugier alles was der nächste Kunde erfahren sollte. Für einen in Mode gekommenen Rundschnitt berechnete er 1.30 Mark, für eine Rasur waren es weit weniger. Alle Jungs des Dorfes hatten einen „Einheitshaarschnitt“ - den Topfschnitt. Kurt Pörsch war ein leidenschaftliche Anhänger und Unterstützer des Großzössener Fußballs. Immer mit Anzug, Schlips und Hut bekleidet, versuchte er mit unnachahmlichen Körperbewegungen hinter der Barriere das Spiel zu beeinflussen. Sein einziger Sohn fiel im zweiten Weltkrieg. Er war ein talentierter Fußballer. 23 Fußballspielern aus Großzössen kostete der faschistische Wahnsinn des 2.Weltkrieges das Leben. In den 60-ger Jahren hatte in den Kellerräumen, der mittlerweile abgerissenen „64“ am Ortsrand aus Richtung Lobstädt kommend, eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) aus Borna ein Friseurgeschäft. Frau Blechschmidt leitete diesen Salon.

In dem noch heute existierenden Nebengebäude auf dem Grundstück Witteck stellte Oswald Lauterbach in seiner Tischlerwerkstatt ebenfalls Holzgegenstände her. Nach dem 2. Weltkrieg nahm er den Bau von Särgen auf. Kurt Nagel fertigte als Möbeltischler in einer Werkstatt Gebrauchsgegenstände und reparierte „wackelich“ gewordene Stühle und Tische. Auf keinem Bauernhof oder Haushalt fehlten bis in die siebziger Jahre hinein Holzbottiche - und Wannen. Die aus „Holzdauben“ und Stahlringen zusammengehaltenen Behältnisse wurden von Böttchermeister Schirmer in Zöpen hergestellt und repariert. Viele Ehepaare erhielten aus seiner Werkstatt so ein Hochzeitsgeschenk, es gehört zur „Ausstattung der Neuvermählten“. Blumen und Pflanzen konnte man sich in Kahnsdorf beim Gärtner Hellriegel unweit des neugebauten Kaffees besorgen. Wunderschöne Chrysanthemen, Tomatenpflanzen und auch Grabschmuck verkaufte er.

Seit 1849 übte ein Sattler in unserem Dorf seine Tätigkeit aus. Besonders das Lederzeug wie Zugvorrichtungen, Pferdekummet und Gürtel wurden für die Zugtiere benötigt. Der letzte seiner Zunft war Felix Müller, ein Bergarbeiter, der in seiner Freizeit auch Polsterarbeiten durchführte. Sofas und Polsterstühle mussten lange nutzbar bleiben. Oft hielten sie Generationen aus. Müllers Werkstatt befand sich im ehemaligem Wohnhaus von Mehnerts- gegenüber der alten Schule- in der heutigen Straße des Friedens. Seine Schwester, Frau Mehnert, war die gute Seele der Dorfkirche und läutete zu festgelegten Zeiten die Glocken. Gegenüber der Stellmacherei wohnte in der jetzigen Friedensstraße Paul Kuhnert, Bergmann und ein gelernter Ofensetzer. Da die Briketts neben Hitze auch „Ruß“ hinterließen, manche Öfen auseinandertrieben, war seine Hilfe gefordert. Mit Lehm und Schamottesteinen reparierte er die „Berliner Öfen“ und holte mit einem „Federwich“ (Gänseflügel) den Ruß aus allen Zügen und Röhren.

Die Umweltbedingungen von Großzössen erforderten Wände und Türen in kurzen, aber regelmäßigen Abständen zu renovieren. Der Malermeister Albert Stein hatte rund um das Jahr volle Auftragsbücher. Von seinem Wohnhaus im Wiesengrund nördlich an der Ortsgrenze gelegen machte er sich mit seinem Handwagen über Schottersteine- und Straßen auf den Weg zu seinen Kunden. Malerbürsten, Schlämmkreide, Gummiwalzen, Pulverfarbe und Gips gehörten vor noch wenigen Jahren zu den Ausrüstungen eines Malers. Nach den vortägigen „Abwaschen“ der Wände erfolgte der „Anstrich“ und wenn gewünscht das „Muster“ per Walze. Mit dem „Scheuerlappen“ legte er ein „Wickelmuster“ auf, typisch für Hausflure. Das tapezieren der Wände kam für die „Kleinen Leute“ erst ende der 6o-iger Jahre in Mode.

Im Erdgeschoß des ehemaligen Rittergutes erledigte Heinrich Schwarz Schneiderarbeiten. Ernst Ott, gelernter Schneider und hauptberuflich Bergmann, war bei der Jugend gefragt, abgenähte enge Hosen wollte jeder in den sechziger Jahren tragen. Darauf war er spezialisiert. Eine Frau Göldner, Schneidemeisterin aus Leipzig, soll ihm als Hausschneiderin zur Hand gegangen sein. Auch Susi Prinz und Frau Gerdrud Fischer galten als versierte Damenschneiderinnen.

Wer gut informiert sein wollte und Kurzwaren und andere Dinge des persönlichen Bedarfs benötigte, konnte bei Zeitschriften- und Textilhandel Löbel nachfragen. Sein Geschäft befand sich in den Kellerräumen der „64“, des im Jahr 2013 abgerissenen Bergarbeiterwohnhauses. Hier wohnte ein Transportunternehmer und Möbelhändler: Max Kasperski. Er fuhr das „Unterhaltungsorchester Borna“ (bekannt von Rundfunkübertragungen) zu Veranstaltungsorten.

Landabsatz von Briketts-Hans Försterling mit Gespann

 

Eine ständige Aufgabe für die Großzössner war die Sicherung und der Nachschub für die Brennstoffbevorratung. Die Winter waren oft lang und kalt. Gern erinnert man sich dabei an die „Pferdegespannführer“ Hans Försterling, Kurt Wipper und Karl Präger („Ponnywirt“ genannt). Viel-vielleicht zu viel-bekamen die im Bergbau beschäftigten Einwohner “Deputat Briketts“. 125 Zentner (eine Mark pro Zentner) betrug die Menge, wenn Mann und Frau in der

 

Kohle beschäftigt waren. Da ließ es sich gut umverteilen zum Beispiel auf brikettfreie Haushalte. „Brikett für Gans“ hieß die Losung. Die Brikettkutscher lösten die Handwagentransporte auf dem weiten Weg von den Pressen im Werk mit Pferdefuhrwerken ab. 25 auch 50 Zentner wurden am bereitgestellten Platz abgekippt. Dann begann in den Ställen und Kellern ein „übertrieben exaktes Stapeln“ der Briketts.80 Briketts wogen einen Zentner. Das hieß bei fünfzig Zentnern: viertausend mal die gleichen Handgriffe vor oder nach der Schicht. Aus „Aschegruben“ wurden Brennrückstände ebenfalls durch Gespanne auf umliegende Kippen entsorgt. Artur Winkler und der Vater des ehemaligen Bürgermeisters Horst Raake schaufelten die Aschegruben leer.

Mit viel Geschick und fachlichen Amateurwissen reparierte Gerhard Bräuer Rundfunkgeräte, nach seiner getanen Arbeit im Kombinat Böhlen. Seine kleine Werkstatt befand sich in einem Fachwerkhaus gegenüber vom Gasthof Lichtenstein. Die Außenputzerneuerung hat nun ebenfalls für ein neues Aussehen des Gebäudes gesorgt. In der Weihnachtszeit stellte der Vater von Gerhard eine übergroße Pyramide auf, deren Kerzenschein und Drehbewegungen man durch die Fenster sehr gut beobachten konnte. Viele Rundfunkgeräte wurden im 2.Weltkrieg beschlagnahmt. Für die verbliebenen „Goebbelsschnauzen“ waren Ersatzröhren, Lautsprecher und andere Teile nur schwer beschaffbar. Gerhard fand fast immer eine Lösung. Auch das Jugend-Tanzorchester unterstützte er mit Mikrofon und Beschallung.

Jugend-Tanzorchester Großzössen unter Leitung von Wolfgang Hauschild

 

Gerd Simon verstand es die damaligen Fernseher (schwarz-weiß) instand zu halten und die erforderliche Empfangstechnik, auch fürs „Westfernsehen“ zu installieren. Und als sich die Bürger Großzössens motorisierten reparierten nebenbei Bernd Dittrich und Arthur Götze alle „Marken“ rollender Motorfahrzeuge.

Sicherlich kann man das bisher Aufgezeichnete erweitern, mit weiteren Episoden bereichern und auch sachlich verändern. Überlegenswert ist der Gedanke aufzuschreiben, welche talentierten Kinder aus bescheidenen Verhältnissen kommend den „Großzössener Schoß“ nach 1945 entwachsen sind. Sie waren und sind in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens an exponierten Stellungen tätig.

 

 

 

Hans Griesbach

Leipzig im Jahre 2014

 

 

Als Zeitzeugen der Erinnerungen zum Handwerkerleben in Großzössen trugen ehemalige und heute in unserem Heimatdorf lebende Bürger bei. So Rudolf Zimmermann, Dieter Fischer, Monika Ballwanz, Artur Winkler, Rolf Seeling, Alfred und Arnulf Eichhorn, Peter Lindenburger, Rolf Claus, Fred Lauterbach und Andreas Bodenlos.

Quellennachweise: Festschrift „850 Jahre Großzössen“, „Dora und Helene - BF Großzössen- 1908-1994“, „Das Bornauer Pleißeland - Passageverlag 1994“, „Mein Heimatbuch - Prof. Ludwig Bräutigam 1905“, Fotoarchiv Fam. Prinz

Rolf Claus (redaktionelle Bearbeitung und Mitautor)

 

Hinweise bitte übermitteln an Hans Grießbach

E-mail: griesbach3@googlemail.com